Micro Content – Darf es auch ein bisschen weniger sein? [Remastered]

Micro Content – Darf es auch ein bisschen weniger sein?

Donald Trump hat ein Problem. Fair enough, vermutlich hat er mehrere. Aber mir geht es jetzt allein um die Aufmerksamkeitsspanne des US-Präsidenten – und die ist wie unsere: abnehmend!

Hypothetisch können wir uns acht Sekunden lang auf einen Sachverhalt konzentrieren. Demnach müssten wir uns mit rund einer Sekunde Rückstand dem Goldfisch geschlagen geben. Dem Zierfisch wird nämlich eine Aufmerksamkeitsspanne von neun Sekunden attestiert. Woher diese Erkenntnis kommt und was es daran auszusetzen gibt, klären wir später.

Dieses Dilemma verdeutlicht jedenfalls, dass im Marketing die zu transportierenden Inhalte im Rahmen des digitalen sowie sinnbildlich gesprochen politischen Wandels zunehmend klar formuliert und schnell zu erfassen sein müssen. Stichwort: Micro Content.

Und um diesen sowie um eine Abgrenzung zu Visual Micro Content und Snackable Content soll es im Folgenden gehen. Dabei schlagen wir einen Bogen zum Content Shock und zu Ephemeral Marketing. Allein um praxistaugliche Wege aufzuzeigen, die dem veränderten Nutzerverhalten gerecht werden und über einen etwaigen Content-Komplex hinweghelfen. Kommt es am Ende doch auf die Länge an?

Bewahren wir uns die Bilder im Kopf – konserviert und paraphiert

Die sinkende Aufmerksamkeitsspanne stellt eine große Herausforderung für die Kommunikation, Formate, Plattformen und Stakeholder dar. Stehen solche eher flüchtigen Auseinandersetzungen mit Content doch im krassen Widerspruch zu den eigentlich auf Nachhaltigkeit ausgelegten und hoffentlich vorhandenen Kommunikationsstrategien.

Alles, was beispielsweise im Bereich des Content-Marketings bislang unternommen wurde, sollte die langfristige Sichtbarkeit und Akzeptanz einer Marke unterstützen. Wie kann das funktionieren, wenn die Botschaften nur für wenige Sekunden sichtbar respektive einige Stunden oder Tage haltbar sind? Wo wir doch kaum noch dazu bereit sind, uns Informationen zu erarbeiten. Vielmehr wollen wir sofort wissen, worum es geht und wie wir die Inhalte entsprechend einordnen und für unsere Zwecke nutzen können. Gefragt ist, was Emotionen weckt und unterhaltsam, bedeutsam oder faszinierend wirkt. Inhalte sollen uns inspirieren und anleiten, vielleicht sogar weiterbilden.

Auf der anderen Seite wird es immer schwerer, die Zielgruppen mit den herkömmlichen und bewährten Methoden zu erreichen. Durch Newsfeeds, Tools und Klicks entstehen individuelle Filter. Es wird nur noch das durchgelassen, was für die jeweilige Persona höchst relevant oder auf irgendeine Weise nutzenstiftend ist. Andere digitale Restriktionen werden ferner durch Algorithmen der Suchmaschinen oder Social Networks vorgegeben. Unternehmen sind gezwungen, sich dem Content-Massenmarkt zu entziehen und etwas Besonderes anzubieten. Kann Micro Content hierbei helfen? Ein Teil der Antworten würde die Leserschaft verunsichern. Kleiner Scherz. Führen wir uns für das Verständnis und die Bedeutung von Micro Content folgende Grundüberlegungen zu Gemüte …

CONTENT SHOCK VS. CONTENT CLASH

Lassen wir kurzerhand außer Acht, ob Marken zunehmend wie Medien agieren oder umgekehrt oder eben nicht. Wenn ungeachtet dessen bisherige Konsumenten oder Influencer und Unternehmen allesamt zu ernstzunehmenden Content-Produzenten mutieren, steigt de facto die Menge an verfügbaren Inhalten an. Selbst eine qualitative Zunahme führt zwangsläufig zu einem Überangebot an Content.

Um sich aus Unternehmenssicht von der Masse überhaupt noch abheben zu können, müssen entsprechend mehr Ressourcen und Kapazitäten wie Arbeitszeit, Kreativität und Budget eingeplant und eingesetzt werden. Letztendlich wird Marketing dadurch jedoch komplizierter, teurer und ineffizienter. Diese Entwicklung gipfelt in einem fiktiven Punkt, an dem die Investitionen für die Erstellung und Verbreitung von Inhalten ihren Ertrag beziehungsweise Mehrwert übersteigen – dem sogenannten Content Shock. Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit ist zu intensiv geworden, schlichtweg zu laut.


Während also immer mehr Menschen, Marken und Medien am Aufbau und an der Distribution eigener Content-Formate tüfteln und diese hinausposaunen, braut sich schon ein neues Phänomen zusammen: Die exponentiell wachsende Quantität der Inhalte trifft auf ein limitiertes Zeitbudget bei den anvisierten Zielgruppen und Personas. Das Angebot eilt sozusagen der Nachfrage davon – das nennt sich Neudeutsch Content Clash. Mit der Folge, dass Interaktionsraten, Reichweiten sowie die Lust und Laune der Konsumenten stetig sinken. Warum sollte der Kunde also fernab mutmaßlicher Leidenschaften für Love Brands sein wertvollstes Gut, die Zeit, für Inhalte Dritter hergeben? Eine Antwort auf diese Frage könnte lauten: wenn und solange die Inhalte gut gemacht sind!

Küsschen links, Küsschen rechts – keep it short and simple

Mag die Aufmerksamkeitsspanne im Verlaufe des digitalen Zeitalters nachgelassen haben – die Vorstellungen und Bedürfnisse hinsichtlich mehrwertbietender Inhalte haben ebenso wie der Wettbewerb stark zugenommen. Wir alle sind anspruchsvoller, das Angebot ist mannigfacher geworden. Es wird sich allenthalben nur noch sehr wenig Zeit genommen, um Beiträge bis zum Ende zu konsumieren und diese womöglich noch zu kommentieren oder zu teilen. Dadurch bekommt das nicht nur im Marketing häufig verwendete Apronym KISS eine neue Bedeutung: Aus „keep it short and simple“ lassen sich nahezu endlos viele Ableitungen konzipieren, die im Kontext von Micro Content zutreffen – Wörter wie smart, sound, straight, significant oder safe.

PRAXISTIPP „SMARTER WORKFLOW“

Um für einen Blogpost einen Tweet oder Facebook-Post zu kreieren, lese ich mir den fertigen Beitrag selber laut vor und notiere mir alle wichtigen Aussagen auf einem Zettel oder bei Evernote. Die zwei oder drei relevantesten Sätze markiere ich mir und stelle sie an den Anfang meiner Notizen. „Relevant“ ist hierbei relativ – im Grunde sind es die Botschaften, die meines Erachtens die größte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Daraus resultieren dann Ideen, wie die bildliche Gestaltung aussehen könnte. Eine kleine Skizze hilft bei der Umsetzung. Im Anschluss suche ich nach geeigneten Hashtags und ggf. Personen, die ich erwähnen möchte. Dann kann der Tweet bzw. Post auf die Reise gehen.

Was das in Summe bedeutet? Wir müssen uns vom Einheitsbrei lösen und sowohl inhaltlich als auch technisch in unterschiedlichen Formaten denken. Also den Content an das veränderte Nutzerverhalten und die Kommunikationsmechanik der jeweiligen Kanäle optimal anpassen. Ohne Gefahr zu laufen, in alte Muster zu verfallen. Die Ansätze „Micro Content“ und „Snackable Content“ gehen ähnlich und doch anders auf diese Thematik ein.

Versuchen wir deshalb die Begrifflichkeiten zu sortieren. Auch um mit den Vorurteilen unserer Aufmerksamkeitsspanne aufzuräumen. Vor allem aber, um für die genannten strategischen Content-Formate als einen Teil des Ganzen zu sensibilisieren.

MICRO CONTENT VS. SNACKABLE CONTENT

Der sogenannte Micro Content soll dabei helfen, dem Nutzer auf einen Blick den Mehrwert des entscheidenden Inhalts zu vermitteln. Ziel ist es, ihn in kürzester Zeit zu fesseln und zu einer Aktion zu bewegen. Sei es durch eine integrierte Handlungsaufforderung oder sonstige Interaktionsmöglichkeiten. Micro Content klassischer Herkunft bezeichnet dem Namen nach eine kleine Einheit. Eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Wörtern, die bereits ausreichend für eine klare Vorstellung der darauf folgenden Inhalte sorgen: Artikelüberschriften, Betreffzeilen, Zitate, Absätze usw. Diese Auslegung greift allerdings zu kurz. Denn auch Videos, Infografiken, Fotos, Slideshares etc. werden den zuvor genannten Kriterien gerecht und zählen wie Tweets, Posts, Gifs, Memes oder Snaps zum Typus Micro Content.

Seit einigen Jahren kursiert zudem der Begriff „Visual Micro Content“ in der Kommunikationsbranche. Dieser Ansatz geht bisweilen stärker in die strategische Zielsetzung hinein. Ein zumeist digitaler oder animierter Inhalt lässt sich demnach auf vielfältige Touchpoints übertragen. Eine komplexe Infografik beispielsweise in einem Leitartikel im Online-Magazin wird dann in einer interaktiven Variante auf dem Corporate Blog oder der Website sowie mit mobile-optimierten Ausschnitten für Social Networks modifiziert genutzt. Das kann sich in reduzierten Fakten, intuitiven Scroll-Formaten oder zielgerichteten Schnittstellen äußern. Bei einer kurzweiligen Konversation mit einem Chatbot zum Beispiel, wird der Zusatz „Visual“ allerdings ad absurdum geführt.

Richtig spannend wird es erst, wenn man eine „Longform“ in viele kleine Formate extrahiert und diese zur Promotion der Langfassung einsetzt. Also mehrere Snacks reicht, welche sich in einem Menü niederschlagen. Es werden direkt mehrere Content-Arten wie Texte, Abbildungen oder Audio-Dateien für ein einheitliches Gesamtwerk in die Betrachtungen mit einbezogen.


Denn es kommt eben nicht nur alleine auf die Länge an: Gut strukturierte Blogposts können durchaus mehr als 1.500 Wörter enthalten, interessante Podcast-Formate über 22 Minuten lang sein. Oder, wie eben gesehen, Videos weitaus länger als 30 Sekunden. Somit kann ein bestehendes Werk, welches mit Mehrwert gespickt ist, in mehrere Kuchenstücke geteilt und auf verschiedenen Plattformen individuell serviert werden. Die Messages werden so für die Zielgruppe an den verschiedenen Touchpoints artgerecht aufbereitet.

In dieser Nuance unterscheidet sich meines Erachtens Micro Content von Snackable Content. „Snackable“ sind in erster Linie Inhalte, die sich schnell, einfach und flexibel konsumieren und teilen lassen. Diese müssen nicht zwingend strategischer Natur sein. Eine kleine Portion für zwischendurch, um den Appetit zu lindern oder anzuregen. Eine non-responsive Infografik beispielsweise, die sich über ruckelnde Endgeräte schwer anwenden lässt, ist kein Snackable Content. Dennoch handelt es sich um Micro Content.

Same same, but different – kleiner Content, kleine Sorgen?

Ob all diese genannten Content-Arten stets für sich alleine stehen, in jeglichem Kontext Verwendung finden können und den Zielen einer ganzheitlichen Content-Strategie folgen, wage ich zu bezweifeln. Eines können sie aber ganz gewiss: Appetit auf mehr machen!

In Anbetracht des oben beschriebenen Überangebots an Content und der persönlichen Restriktionen, die unter anderem in einem bestimmten Zeitlimit münden, hat Micro Content deshalb sicher seine Daseinsberechtigung. Doch eben nicht losgelöst vom Rest der Idee.

Die nun folgenden Statements sind das Ergebnis zweier Expertenbefragungen, die ich 2016 und 2017 via Facebook durchgeführt habe.

Visual Content, Micro Content, Visual Micro Content sind (strategische) Content-Formate. Nicht jeder nutzt sie, nicht jeder will oder muss sie nutzen. Ich bin immer noch überzeugt, dass sie sehr wertvoll sind. Aber eben als Teil des Ganzen. Je schneller es die Botschaft in unser Gehirn schafft und unser Interesse weckt, desto besser.

Robert Weller

Wortwörtlich finden vergängliche, kurzlebige und flüchtige Inhalte aktuell große Zustimmung. Trotzdem darf auch bei diesen Content-Formaten keine Erwartungshaltung geschürt werden, ohne dass das Versprechen einlöst wird. Schließlich wäre der Konsument zutiefst enttäuscht und womöglich für immer vergrault.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang also, dass eine Marke oder ein Produkt nicht inszeniert, sondern gewissermaßen zur Verfügung gestellt wird. Und zwar immer dann, wenn und falls beim Kunden Interesse oder Bedarf besteht – und nur, wenn Nutzen entsteht. Micro hin oder her.

Die relevanten Inhalte müssen die zugrundeliegende Vision und Botschaft in allen Situationen transportieren und in einen geeigneten Kontext zueinander setzen.

Babak Zand

Häufig wird dieses Momentum allerdings schnell wieder verwirkt. Anstatt mit authentischem und reichhaltigem Content plus einer mutigen Portion an Entertainment und Informationsgehalt zu punkten, wird der kurzfristige Erfolg durch banale Anzeigen, aberwitzige Clickbait-Überschriften und plumpe Werbebotschaften erkauft. Tut dat not?

Gerade in der Infoflut könnten kleine, feine Content-Werke vieles Mittelmäßige überragen. Dazu müssen sie aber erstklassig sein! Das ist vielleicht mit Cartoons vergleichbar: In wenigen Bildern muss die Botschaft sitzen. Das braucht Zeit, Geld, eine zündende Idee und Können.

Doris Eichmeier

VORTEILE UND NACHTEILE VON MICRO CONTENT

  1. Kleine Inhalte lassen sich schnell und live produzieren. Ein Video via Periscope, ein Snap via Snapchat, ein Tweet via Twitter. So kann auf aktuelle Geschehnisse unmittelbar Bezug genommen werden. Häufig leidet dabei allerdings die Qualität der Produktion. Es bleibt nur wenig Zeit, insbesondere bei Videos die technischen Voraussetzungen zu schaffen und darüber hinaus eine Storyline zu entwickeln. Vorsicht also vor unverhältnismäßigen Schnellschüssen oder rein emotional getriebenen Handlungen.
  2. Unterschiedliche Formate, Texte, Visuals und Plattformen bieten den Stakeholdern eine schöne Abwechslung. Viele kleine Einheiten werden vermutlich häufiger gesehen und vollständig konsumiert als ein großer Beitrag. Damit kann eine weitreichende Aktivität oder eine gewisse Umtriebigkeit suggeriert werden. Der Aufwand ist indes enorm, müssen die Kanäle doch individuell, zeitversetzt und öfter bespielt werden. Außerdem wird leicht der Eindruck entstehen, alles und nichts richtig zu können. Lieber punktuell agieren und zu Beginn ein wenig experimentieren.
  3. Wenn die kleinen Einheiten ordnungsgemäß vorangetrieben wurden, können sie sich online wie offline als selbständiges Content-Format bewähren. Die kurzatmigen User werden es danken, das veränderte Nutzerverhalten ist schließlich impliziert. Anders als bei einem in saisonaler Hinsicht weitestgehend losgelösten Text muss ein Thema hier aber noch exakter verstanden, durchdacht und wiedergegeben werden. Höhere Aufwände sind die Folge.

Fehlt es den Unternehmen an diesen Ideen oder wissen sie nur nicht, wie ihr Content optimal austangiert den Weg auf die Straße findet?

Interessanterweise ist es wirklich schon eine Weile her, dass ich beispielsweise eine Infografik bewusst wahrgenommen habe. Für mich ist es vielmehr strategisch wichtig, dass ich passende Formate finde, visuelle Häppchen gehören sicherlich dazu. Grundsätzlich kann alles sinnvoll sein, was den Inhalt oder die Botschaft bestmöglich transportiert.

Rene Gast

Im Rahmen meiner Überlegungen zur Überarbeitung dieses Beitrags (s. unten) ist mir aufgefallen, dass die meisten Artikel zum Thema „Micro Content“ überholt sind. Woran mag das liegen? Ist das Thema keines bzw. bedarf es des Begriffs „(Visual) Micro Content“ nicht mehr? Haben wir dieses Format verinnerlicht oder gibt es einfach keine Entwicklung zu beobachten?

Nur weil es keine Blogbeiträge, Vorträge oder Diskussionen zu Micro Content gibt, heißt das doch nicht, dass dieses Thema nicht mehr aktuell ist. Visual Micro Content ist weiterhin eine Option, welche in manchen Fällen und für manche Zwecke relevant ist. Ich denke, die Unternehmen setzen das ein oder nicht, aber sie machen sich keine großen Gedanken mehr darüber.

Mirko Lange

Wir können also festhalten, dass Micro Content wichtig sein kann. Sofern dieses Format in die Strategie eingebettet ist. Sonst bleibt es bei „nice to have“.

Ich kannte den Begriff bisher noch gar nicht. Was ist denn dann Unvisual Micro Content? Es bleibt also fortwährend die Frage bestehen, was man erreichen will. Für ein bisschen Reichweite und Viralität mag Micro Content ganz schön sein, auch um Beziehungen auszubauen. Mir fehlt aber ein wenig die Nachhaltigkeit, ein wirkliches Asset ist das irgendwie nicht.

Olaf Kopp

Goldfische sind der neue Cat Content – Orange is the new black

Bevor ich zum Fazit komme, möchte ich der Vollständigkeit halber auf die eingangs erwähnte Aufmerksamkeitspanne von Donald Trump und den vielzitierten „Goldfisch-Gate“ Bezug nehmen. Eine der beiden Aussagen ist nämlich fake oder zumindest fragwürdig.

Laut einer Studie von Microsoft aus dem Frühjahr 2015 lag die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen im Jahr 2000 noch bei etwa 12 Sekunden. Heutzutage – so heißt es weiter – liegt unsere Aufmerksamkeitsspanne mit acht Sekunden unter der eines Goldfisches. Unsere Begeisterung für Cat Content macht die Sache auch nicht besser. Planet der Affen halt. So der Tenor, als die Nachricht 2016 medial die Runde machte. Aber ist dem überhaupt so?

Der Vergleich Mensch/Goldfisch, ist schon spaßig. Es ist aber vor allem eines: aufmerksamkeitsfördernd. Ansonsten gibt es zahlreiche Ungereimtheiten – unter anderem zum Ursprung der erhobenen Daten. Die Kollegen von OnlineMarketing.de schreiben hierzu in einem lesenswerten Beitrag über Die Mär von 8 Sekunden. Übrigens: Interessanterweise werden die Links auf die Studie mittlerweile auf eine völlig andere Microsoft-Seite weitergeleitet. Man schaue und urteile selbst …

EXKURS: EPHEMERAL MARKETING

Ephemeral Marketing bezeichnet die Kommunikation über Messaging-Dienste wie Snapchat, Yo oder WeChat. Diese Dienste zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass sie die veröffentlichten Inhalte nur für einen bestimmten Zeitraum zugänglich machen und so eine künstliche Verknappung des Konsums hervorrufen. Dadurch wird unter anderem versucht, eine „Art des Vergessens“ im Internet zu implementieren und Sicherheitsaspekte zu suggerieren – wenngleich das nur schlecht möglich ist, denn digitale Inhalte können natürlich im Empfangsmoment schier unendlich auf anderen Kanälen oder Medien gespeichert und/oder distribuiert werden.

Während jedoch über Google indizierte Inhalte auf Websites, Blogs, in Foren oder öffentlichen Facebook-Pages ewig auffindbar und somit zu jedem beliebigen Zeitpunkt konsumierbar sind, werden Ephemeral-Media-Inhalte nur in einem bestimmten Moment für deren Konsum und Verbreitung zur Verfügung gestellt. Das erhöht den Druck auf die Beteiligten: den des Empfängers, diesen Moment auch ja nicht zu verpassen, wenn es ihn wirklich interessiert (hätte). Und den des Senders, die Hebelwirkung der Echtzeit-Kommunikation optimal zu nutzen und ausschließlich geilen Content zu verbreiten.

Ich glaube ja, dass sich mit dem Nutzerverhalten auch die Fähigkeiten verändert haben. So scrollen wir mit hohem Tempo durch Newsfeeds und posten zeitgleich Inhalte auf verschiedenen Plattformen, als hätten wir nie etwas anderes getan. Auch dank Micro Content und Snackable Content.

Dawn of Justice – Blockbusterman versus Snackableman

„Kurz und knackig“ ist kein Allheilmittel und schützt uns nicht vor unangenehmen Fragen. Welche Ziele verfolge ich mit dieser Art von Inhalt? Wo befinden sich die für mich relevanten Personas? Wie gehe ich mit dem erhöhten Wettbewerbsdruck um? Was bin ich bereit zu investieren?

Wie so oft muss ich also vor meinen Entscheidungen abwägen. Denn unabhängig vom Content-Format und den Touchpoints gilt immerzu der gleiche Grundsatz: Qualität vor Quantität. Es geht darum, tiefgründig Werte aufzubauen und die Kunden langfristig an sich zu binden. Während die zur Verfügung stehende Zeit eher gesunken ist.

Der eigentliche Inhalt veraltet rapide und erreicht durch die Summe immer neuer Bilder, Videos und Statusmeldungen und ob der zeitlichen Einschränkung sehr schnell das Verfallsdatum. Demnach ist es vor allem das Echtzeit-Momentum, was Micro Content so spannend macht. Nicht mehr und nicht weniger.

Oder um im Bild von Snackable Content zu bleiben: Der Kalorienbedarf und das Sättigungsgefühl sind wie die Interessen der Konsumenten sehr unterschiedlich. Die eine wird satt, der andere nicht – für manche ist dieser Ansatz geeignet, für andere grundverkehrt. Guter Content funktioniert aber auf allen Plattformen, nur eben mit „regionalen“ Unterschieden.

Schlussendlich bedeutet das eigentlich nur, dass es einer ganzheitlichen Content-Strategie, eines redaktionellen Kommunikationskonzepts und der spitzfindigen Dialogfähigkeit beim Umgang mit digital-affinen Kunden bedarf.

Anmerkung: Dies ist eine im Rahmen unserer Remastered-Reihe überarbeitete und aktualisierte Version eines ursprünglich im Sommer 2016 erschienenen Beitrags – Köln im September 2017.

Micro Content – Darf es auch ein bisschen weniger sein?
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Stefan Schütz

Stefan Schütz

Stefan Schütz ist als Senior Manager Corporate Communications bei einer Not-for-Profit-Organisation für interne und externe Kommunikationsprozesse zu strategischen Fragestellungen und crossmedialen Maßnahmen zuständig. Seit mehreren Jahren schreibt das waschechte Nordlicht als bekennender Content-Enthusiast in seinem Blog PR-Stunt über klassische Kommunikationsthemen, Social Media und Content-Marketing.

2 Reaktionen zu “Micro Content – Darf es auch ein bisschen weniger sein?”

  1. Mirko Herrmann

    Ein toller Beitrag, der das Dilemma des Content Marketings in sich trägt. Egal ob Micro Content, Snackable Content, Content Shock oder Ephemeral Marketing – am Ende des Tages gibt es immer ein „es kommt halt darauf an“. Meine bescheidene Erfahrung ist, dass eine ganzheitliche Strategie für Klarheit sorgt und dass es Marketingverantwortliche in mittelständischen Unternehmen nach soviel Marketingsprech genauso schwindelig ist, wie mir.

    Antworten
    1. Stefan Schütz
      Stefan Schütz

      Hallo Mirko,

      danke für deinen Kommentar! Ich bin mir nicht sicher, ob es DAS EINE Dilemma gibt – aber ich verstehe dich sehr gut und unterschreibe den Gedanken zum strategischen Content-Marketing. Es geht hier ja auch nicht um Buzzword-Bingo, sondern darum, einen (weiteren) Weg aufzuzeigen.

      Beste Grüße
      Stefan

      Antworten

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